Ausländer in Spanien. Erbschaften. Gültigkeit der vor der Europäischen Verordnung 650/2012 erstellten Testamente.

Der heutige Artikel behandelt die Entscheidung der Generaldirektion für Grundbuchämter und Notare vom 15 Juni 2016, mit dem die Beschwerde gegen die Einstufung eines Grundbuchführers (Registrador de la Propiedad) von Orihuela (Alicante) angenommen wird.

Der Sachverhalt stellt sich wie folgt dar: Ein britischer Staatsbürger mit festem Wohnsitz in Spanien, der nach  Inkrafttreten der Verordnung 650/2012, dh. nach dem 17. August 2015 in Spanien verstarb und der in seinem spanischen Testament, im Jahr 2003 vor einem spanischen Notar unterzeichnet, seiner Frau sein gesamtes Vermögen hinterliess.  Sein spanisches Testament erwähnte jedoch nicht, welches Nationalrecht die Erbfolge in Spanien regeln sollte.

Wie bereits in früheren Artikeln erwähnt, möchten wir nochmals betonen, dass unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Verstorbenen, die europäische Verordnung 650/2012 auf alle Erbschaften in Spanien anwendbar ist. Da sich die Erbgüter in Spanien befinden, spielt es im vorliegenden Fall keine Rolle, dass Großbritannien die Verordnung nicht unerzeichnet hat. 

Nach Auffassung des Grundbuchführers, sollte gemäss der europäischen Verordnung das spanische Recht angewandt werden, da der Erblasser in diesem Land zum Zeitpunkt des Todes seinen festen Wohnsitz hatte und ausserdem nicht ausdrücklich die Anwendung seines eigenen Nationalrechts (professio iuris) verlangte. Gemäss der von dem Grundbuchführer vorgenommenen Auslegung und unter Anwendung der geltenden spanischen Rechtsvorschriften, hatte die Frau kein Anrecht auf das gesamte Vermögen des Erblassers. Wie im spanischen Zivilgesetzbuch vorgeschrieben, hatten die Kinder und gesetzlichen Erbfolger Anspruch ihren Anteil des Vermögens. Diese Schlussfolgerung erwies sich jedoch als falsch.

Im Gegensatz zu der Auffassung des Grundbuchführers, ist die Gültigkeit des vor dem 17 August 2015 erstellten Testaments und dessen Inhalt vorrangig. Artikel Nr. 83 der Verordnung 650/2012 unterstreicht in Absatz 4:

  1. Sollte eine Verfügung von Todes wegen vor dem 17. August 2015 im Einklang mit dem Recht stehen, für das sich der Verstorbene entschieden haben könnte, so ist dieses Recht gemäss der bestehenden Verordnung als das für die Erbfolge gewählte, anwendbare Recht zu betrachten.

Obwohl nicht ausdrücklich betont, ist zu verstehen, dass der Erblasser beabsichtigte sein Testament in Übereinstimmung mit seinen eigenen Rechtsvorschriften aufzusetzten. Demzufolge und gemäss des massgebenden englischen Nationalrechts, wäre die Frau berechtigt das gesamte Vermögen zu erben. 

Für Rückfragen zum Thema Erbschaften und Testamente, stehen wir gerne zu Ihrer Verfügung.

 

Dieser Artikel stellt keine Rechtsberatung dar. Er übermittelt lediglich allgemeine Information zu rechtlichen Fragen in diesem Zusammenhang.

Carlos Baos (Rechtsanwalt)

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